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Fallstricke bei der Betriebsratswahl

Anmerkung zum Beschluss des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 21.07.2017 – 10 TaBV 3/17 –

Vorinstanz: Arbeitsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 28.11.2016 – 2 BV 286/16

 

Der Fall

In einem Unternehmen mit ca. 60 Mitarbeitern sollte erstmals ein Betriebsrat gegründet werden. Die Arbeitnehmer des Betriebs wurden also zu einer Wahlversammlung zur Wahl eines Wahlvorstandes eingeladen. 27 Arbeitnehmer haben am 24.02.2016 an der Wahlversammlung teilgenommen und einen Wahlvorstand gewählt. Daneben wurde auf der Wahlversammlung auch eine Liste mit Wahlbewerbern aufgestellt und der Termin zur Wahl des Betriebsrats (zweite Wahlversammlung) auf den 04.03.2016 festgelegt.

Ein Wahlausschreiben wurde im Betrieb bekannt gemacht. Die entsprechenden Wahlunterlagen wurden den Arbeitnehmern vom Wahlvorstand persönlich übergeben. Dabei habe die Möglichkeit bestanden, den Stimmzettel sofort auszufüllen und mit dem Wahlumschlag an den Wahlvorstand zurückzugeben. Im Wahlausschreiben wurden unter anderem auch Datum und Uhrzeit der zweiten Wahlversammlung festgelegt und die Briefwahl für den gesamten Betrieb angeordnet. Diesbezüglich wurde vom Wahlvorstand auch festgelegt, dass die mittels Briefwahl abgegebenen Stimmen, spätestens eine Stunde vor Beginn der Wahlversammlung beim Wahlvorstand eingehen müssten. Einen Hinweis auf die Möglichkeit der nachträglichen schriftlichen Stimmabgabe gab es nicht. Des Weiteren wurde mit dem Wahlausschreiben bekannt gemacht, wie viele Betriebsratsmitglieder zu wählen sind. Dabei wurden zwei unterschiedliche Angaben gemacht. Zum einen wurde bekannt gemacht, dass drei und zum anderen, dass fünf Betriebsratsmitglieder zu wählen sind.

Die Wahl wurde nach dem vereinfachten Wahlverfahren durchgeführt. Es fand somit keine Verhältniswahl (Listenwahl) sondern eine Mehrheitswahl (Personenwahl) statt.

Das spätere Wahlergebnis wurde vom Wahlvorstand per MMS nur an diejenigen Arbeitnehmer versandt, von denen ihm die Mobilfunknummern bekannt waren. Eine anderweitige Bekanntmachung des Wahlergebnisses gab es nicht.

Die Arbeitgeberin hat dann am 15.03.2016 beim Arbeitsgericht beantragt festzustellen, dass die Betriebsratswahl unwirksam ist. Sie hat die Wahl damit angefochten. Am 07.04.2016 hat die Arbeitgeberin den Antrag aber wieder zurückgenommen. Am 16.08.2016 hat sie dann beim Arbeitsgericht beantragt festzustellen, dass die Betriebsratswahl nichtig ist.

Das Arbeitsgericht Düsseldorf hat die Wahl nicht für nichtig, jedoch für unwirksam erklärt. Dagegen wehrte sich die Arbeitgeberin mit ihrer Beschwerde zum Landesarbeitsgericht. Die Beschwerde hatte aber keinen Erfolg.

Diese Fehler wurden gemacht

Soweit aus den Beschlüssen des Arbeitsgerichts und des Landesarbeitsgerichts zu entnehmen, wurden im Wesentlichen fünf Fehler gemacht. Jeder dieser Fehler würde für sich gesehen bereits zur Wahlanfechtung berechtigen.

Vorweggenommen sei der Hinweis, dass die Parteien auch darüber gestritten haben, ob überhaupt im richtigen Wahlverfahren gewählt wurde. Durchgeführt wurde das vereinfachte Wahlverfahren für kleinere Betriebe (mit in der Regel fünf bis fünfzig wahlberechtigten Arbeitnehmern). Grundsätzlich hätte aber das normale Wahlverfahren durchgeführt werden müssen, weil im Betrieb in der Regel mehr als 50 wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt sind. In Betrieben mit in der Regel 51 bis 100 wahlberechtigten Arbeitnehmern besteht zwar die Möglichkeit, im vereinfachten Wahlverfahren zu wählen. Dafür hätten Wahlvorstand und Arbeitgeberin die Durchführung der Betriebsratswahl im vereinfachten Wahlverfahren vereinbaren müssen. Die Arbeitgeberin stritt jedoch ab, dass es eine solche Vereinbarung gab. Das Arbeitsgericht Düsseldorf legte seiner Prüfung die Vorschriften für das zweistufige vereinfachte Wahlverfahren zugrunde. Darauf beziehen sich auch die folgenden Ausführungen.

Frist zur Durchführung der zweiten Wahlversammlung nicht eingehalten

In dem Betrieb wurde erstmalig eine Betriebsratswahl durchgeführt. Das heißt, es waren zwei Wahlversammlungen durchzuführen. Eine erste Wahlversammlung, auf der unter anderem der Wahlvorstand zu wählen ist. Diese wurde am 24.02.2016 durchgeführt. Gemäß § 14a Abs. 1 S. 4 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) ist die zweite Wahlversammlung zur Wahl des Betriebsrats eine Woche nach der ersten Wahlversammlung durchzuführen. Die zweite Wahlversammlung hätte also am 02.03.2016 durchgeführt werden müssen. Im Wahlausschreiben wurde die zweite Wahlversammlung aber erst auf den 04.03.2016 terminiert, also zwei Tage zu spät. Ob diese verspätete Wahlversammlung überhaupt stattgefunden hat, war im Übrigen ebenfalls nicht ganz klar.

Anordnung der Briefwahl für den gesamten Betrieb

Der Wahlvorstand hat die Briefwahl für den gesamten Betrieb angeordnet. Grundsätzlich hat die geheime und unmittelbare Stimmabgabe aber auf der zweiten Wahlversammlung zu erfolgen, § 14a Abs. 1 S. 3 BetrVG. Lediglich denjenigen Arbeitnehmern, die nicht an der zweiten Wahlversammlung teilnehmen können, ist Gelegenheit zur nachträglichen schriftlichen Stimmabgabe zu geben. Das ergibt sich unter anderem aus 14a Abs. 4 BetrVG und § 35 Wahlordnung (WO).

Widersprüchliche Angaben zur Stimmabgabe im Wahlausschreiben

Der Wahlvorstand hatte die Briefwahl für den gesamten Betrieb angeordnet und im Wahlausschreiben bekannt gemacht. An anderer Stelle im Wahlausschreiben hat er jedoch die zweite Wahlversammlung zur Wahl des Betriebsrats auf den 04.03.2016 in der Zeit von 11:00 bis 13:00 Uhr festgelegt. Die Angaben stehen also in direktem Widerspruch zueinander, sodass der Wähler nicht erkennen konnte, wie die Stimmabgabe letztendlich durchzuführen ist.

Widersprüchliche Angaben zur Anzahl zu wählender Betriebsratsmitglieder

Im Wahlausschreiben ist eine ganz wesentliche Angabe zu machen, die auch zwingend richtig sein muss. Es muss im Wahlausschreiben die exakte Anzahl der zu wählenden Betriebsratsmitglieder ausgewiesen werden, § 31 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 WO. Im vereinfachten Wahlverfahren hängt davon nämlich ab, wie viele Stimmen jeder Wähler vergeben kann.

In dem hier zugrunde liegenden Fall wurden im Wahlausschreiben zwei sich widersprechende Angaben gemacht. An einer Stelle wurde bekannt gemacht, dass fünf Betriebsratsmitglieder zu wählen sind. An einer anderen Stelle wiederum, dass drei Betriebsratsmitglieder zu wählen sind. Richtig wäre die Angabe gewesen, dass fünf Betriebsratsmitglieder gewählt werden. Für den Wähler war also nicht klar, ob er nun für drei oder fünf Wahlbewerber jeweils eine Stimme abgeben kann. Es ist also nicht auszuschließen, dass einige Wähler deshalb nur drei anstelle von fünf Stimmen abgegeben haben, weil sie dachten, dass sie maximal drei Stimmen vergeben können.

Falsche Angabe zum Eingang der Briefwahlunterlagen

Der Wahlvorstand hatte im Wahlausschreiben festgelegt, dass die Briefwahlunterlagen spätestens eine Stunde vor Beginn der zweiten Wahlversammlung bei ihm eingehen müssen. Das ist gerade im zweistufigen vereinfachten Wahlverfahren ein grober Fehler. Denn wie bereits dargelegt liegt in diesem Verfahren zwischen erster und zweiter Wahlversammlung gerade einmal eine Woche. Deshalb ist den Wählern gegebenenfalls auch eine nachträgliche schriftliche Stimmabgabe zu ermöglichen. Der Zeitpunkt, zu der die Briefwahlunterlagen dann beim Wahlvorstand eingehen müssen, liegt dann erst nach der zweiten Wahlversammlung. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass Wähler bis drei Tage vor der zweiten Wahlversammlung die Briefwahl beantragen können und ihnen eine ausreichende Frist zur Rücksendung an den Wahlvorstand eingeräumt werden muss, vgl. § 35 WO.

Die Wahl ist lediglich unwirksam aber nicht nichtig

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht Düsseldorf haben hier die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts umgesetzt. Sie haben die Wahl nämlich lediglich für unwirksam und nicht für nichtig gehalten.

Der Unterschied zwischen Unwirksamkeit und Nichtigkeit der Betriebsratswahl ist der Zeitpunkt, ab dem der Betriebsrat als aufgelöst gilt. Wenn die Wahl für unwirksam erklärt wird, gilt der Betriebsrat erst ab dem Zeitpunkt einer rechtskräftigen Entscheidung des Gerichts als aufgelöst. Wird die Wahl für nichtig erklärt, hat von Beginn an kein Betriebsrat bestanden. Haben Arbeitgeber und Betriebsrat dann zum Beispiel inzwischen eine Betriebsvereinbarung geschlossen, ist diese ebenso als von Beginn an nichtig zu betrachten. Bei bloßer Unwirksamkeit der Wahl hingegen behalten die vom Betriebsrat bis zu seiner Auflösung abgegebenen Erklärungen ihre Wirksamkeit.

Die Wahl war hier jedoch lediglich für unwirksam zu erklären, da eine bloße Fehlerhäufung nicht zur Nichtigkeit der Betriebsratswahl führt. Die Fehler werden also nicht zusammengerechnet und dann die Nichtigkeit der Wahl festgestellt. Eine Betriebsratswahl wäre nur dann nichtig, wenn einer der aufgetretenen Fehler derart gravierend ist, dass schon von vornherein nicht einmal der Anschein einer ordnungsgemäßen Betriebsratswahl besteht.

Fazit

Der Fall zeigt sehr anschaulich die Komplexität und die daraus folgenden Fallstricke bei einer Betriebsratswahl auf. Dabei sind dem Wahlvorstand in diesem Fall besonders viele einschneidende Fehler unterlaufen. Von der nicht ausreichenden Bekanntmachung des Wahlergebnisses einmal ganz abgesehen. Das hat nämlich dazu geführt, dass die zweiwöchige Frist zur Wahlanfechtung ab Bekanntgabe des Wahlergebnisses gar nicht erst zu laufen begonnen hat. Wäre das Wahlergebnis ordnungsgemäß bekannt gemacht worden, hätte die Wahl nicht für Unwirksam erklärt werden können. Dann wäre es ausschließlich möglich gewesen, die Wahl als von Anfang an für nichtig zu erklären. Und mit diesem nicht fristgebundenen Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit der Wahl ist der Arbeitgeber hier gerade nicht durchgedrungen. Da aber bei Erfolglosigkeit des Antrags auf Nichtigkeit der Wahl zu prüfen ist, ob die Voraussetzungen für eine Unwirksamkeit vorliegen und die Anfechtungsfrist noch nicht zu laufen begonnen hatte, hat der Arbeitgeber hier dennoch die Auflösung des Betriebsrats erreicht.

Weitergehende Informationen zur Betriebsratswahl im Allgemeinen können Sie hier finden.